Eine Übersetzerin kehrt zu den Wurzeln ihrer Kindheit zurück

Helga | Schülerin

Als die professionelle Übersetzerin Helga 58 wurde, machte sie sich selbst ein außergewöhnliches Geburtstagsgeschenk – die Chance, endlich Kroatisch zu beherrschen, jene Sprache, die ihre Kindheit umgab, aber immer knapp außer Reichweite geblieben war. Geboren in Deutschland als Tochter slowenischer Eltern, mit tiefen familiären Wurzeln in Slowenien und auch Kroatien, zeigt Helgas Rückkehr zu ihrem jugoslawischen Erbe, wie Sprachenlernen die Lücke zwischen Erinnerung und Identität schließen kann.

Schülerin Helga

Das Geschenk der sprachlichen Neugier

Helgas Affinität zu Sprachen begann lange, bevor sie professionelle Übersetzerin und Dolmetscherin wurde. Zweisprachig mit Slowenisch und Deutsch aufgewachsen, war sie bei Besuchen im Weinberg ihrer Großeltern bei Varaždin ständig von den melodischen Klängen dessen umgeben, was damals noch Serbokroatisch hieß. „Ich war die Kleine vom Lesarjev-Weinberg“, erinnert sie sich und beschreibt, wie sie von Hof zu Hof wanderte und sich mit den Nachbarn durch eine Mischung aus Gesten, ihrem muttersprachlichen Slowenisch und den kroatischen Wörtern, die sie nebenbei aufschnappte, verständigte.

Schülerin Helga

„Es fehlte immer etwas Emotionales und Kulturelles in meiner familiären Identität, das ich sprachlich nicht erfassen konnte.“

Als ihr Sohn Paul 19 wurde und sein Maschinenbau-Studium begann, beschloss Helga, dass es Zeit wäre, sich wieder auf sich selbst zu konzentrieren. Bereits fließend in Englisch, Deutsch, Französisch, Russisch und Italienisch, wählte sie Kroatisch als besonderes Geburtstagsgeschenk – nicht aus beruflichen Gründen, sondern motiviert durch etwas tief in ihr Verborgenes. „Das war ein Kindheitswunsch“, erklärt sie. „Es fehlte immer etwas Emotionales und Kulturelles in meiner familiären Identität, das ich sprachlich nicht erfassen konnte.“

Kindheitserinnerungen erfüllt vom Geschmack des Meeres

Für Helga ist Kroatisch nicht nur eine Sprache – es ist ein Tor zu sinnlichen Erinnerungen, die ihr Verständnis von Wärme und Zugehörigkeit prägten. Ihre ersten echten Begegnungen mit dem Kroatischen kamen durch das Essen und die Musik in der Küche ihrer „jugoslawischen“ Großeltern, wo sie lernte, die Sprache mit den Geschmäckern und Klängen ihrer erweiterten Familie zu verbinden. „Kroatisch war für mich immer mit dem Meer verbunden“, reflektiert sie, „und ich bin sehr küstenaffin.“

Die kroatische Sprache trägt für sie das Wesen des Sommers in sich: gegrillter Fisch mit einem Glas Malvasia, Mangold und Kartoffeln, und die geliebten Ćevapčići, traditionelle Gerichte, die sie gerne in ihrer Küche in Österreich nachkocht. Ihr Mann weiß genau, wie er ihr an einem Samstagmorgen eine Freude machen kann – mit frischem Burek und kroatischem Weißbrot aus der kroatischen Bäckerei vor Ort, einfache Vergnügen, die sie in jene prägenden Jahre zurückversetzen. Noch heute hegt sie eine tiefe Zuneigung zur kroatischen Musik der 1950er und 60er Jahre, Lieder, die den Soundtrack ihrer Jugend bei Tanten und Großeltern widerspiegeln.

Durchbrechen von Interferenzen vertrauter Klänge

Die Herausforderung beim Kroatischlernen lag für Helga nicht im Wortschatz – sie konnte von Anfang an fast alles verstehen. Das Schwierigste bestand für sie in dem, was Linguisten „Interferenzen“ nennen – der Art, wie ihr muttersprachliches Slowenisch und ihre Russischkenntnisse immer wieder die eigenständigen grammatikalischen Strukturen und Aussprachemuster des Kroatischen durchzogen. „Alles klang vertraut, aber die Strukturen waren völlig anders. Es sind eben separate Sprachen“, erklärt sie.

„Mir wurde klar, dass es besser funktioniert, wenn ich meinem ersten Instinkt vertraue, statt mich selbst zu hinterfragen.“

Der Durchbruch kam etwa sechs Monate, nachdem sie mit dem Kroatischlernen angefangen hatte, als sie aufhörte, jede Satzstruktur zu analysieren und freier zu sprechen begann. „Mir wurde klar, dass es besser funktioniert, wenn ich meinem ersten Instinkt vertraue, statt mich selbst zu hinterfragen“, sagt sie. Der Einzelunterricht erwies sich als entscheidend für jemanden mit ihrem sprachlichen Hintergrund – Gruppenkurse waren nicht ihr Fall, weil das Tempo nicht ihrem Lernstil entsprach, und sie brauchte Flexibilität, um die spezifischen Herausforderungen zu bewältigen, Kroatisch von ihren anderen slawischen Sprachen zu trennen.

Selbstvertrauen durch Gespräche und Kultur

Die überraschendsten Momente in Helgas Lernreise kamen bei unangekündigten Sprachprüfungen. Obwohl sie normalerweise Angst vor Prüfungen hat, stellte sie fest, dass die spontane Natur dieser Bewertungen ihr tatsächlich half, besser zu performen. „Ich hatte keine Zeit, nervös zu werden“, lacht sie. „Diese Tests sind zwar nur eine Momentaufnahme für mich selbst, doch ich konnte plötzlich hören, dass ich massive Fortschritte in Grammatik, Satzbau und besonders in der Aussprache gemacht hatte.“

Dieses wachsende Selbstvertrauen eröffnete ihr neue Türen zur kroatischen Kultur. Sie begann, Podcasts zu hören und Blogs zu lesen, um schließlich zu Büchern überzugehen – erst vertraute Werke, die sie bereits in anderen Sprachen gelesen hatte, bevor sie dann zur kroatischen Literatur überging. Einige Bibliotheken in Graz bieten Zugang zu kroatischen Büchern, und sie war begeistert zu entdecken, wie viel sie verstand. Ihre aktuelle Herausforderung liegt auf ihrem Nachttisch: „Die Brücke über die Drina“ von Ivo Andrić, ein bedeutender Sprung in die kroatische Hochliteratur.

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Die tiefere Belohnung sprachlicher Zugehörigkeit

Das Kroatischlernen hat Helgas Beziehungen zu kroatischen Freunden gestärkt, die trotz exzellentem Englisch oder Deutsch sie nun wahrhaftig als „Eine von ihnen“ sehen. Doch die tiefgreifendste Wirkung war nicht beruflicher Natur. „Das Schöne am Kroatischen ist, dass ich diese Sprache wirklich rein aus persönlichen Gründen lernen wollte“, reflektiert sie. „Die Leute sagen immer ‚Du bist eine von uns‘, und dem wollte ich gerecht werden.“

„Das Schöne am Kroatischen ist, dass ich diese Sprache wirklich rein aus persönlichen Gründen lernen wollte.“
Schülerin Helga

Ihr Mann ist zu ihrem wichtigsten Unterstützer auf dieser Lernreise geworden, fragt regelmäßig nach, ob sie denn ihre Hausaufgaben gemacht hat, und ermutigt sie. Darüberhinausgehend, dass er von seiner persönlichen Dolmetscherin profitiert, fördert er aktiv ihre Fortschritte und feiert ihre Erfolge. Ihr 20-jähriger Sohn Paul hat ebenfalls Interesse daran geäußert, nach Abschluss seines Technikstudiums eine slawische Sprache zu lernen. Für Helga repräsentiert dies die Fortsetzung einer mehrsprachigen Familientradition – einer Tradition, die der Komplexität von Identitäten Ehre erweist und nationale Grenzen überschreitet. Als Jugoslawin geboren, später Slowenin, dann Österreicherin geworden, hat sie festgestellt, dass das Erlernen von Sprachen nicht nur Kommunikation bedeutet – „Es geht darum, den kulturellen Kosmos zu verstehen, der formt, wie wir uns selbst sehen und wohin wir gehören.“



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